Oratorium
Wir sagen uns Dunkles
nach Gedichten von Paul Celan und Ingeborg Bachmann
für:
Sopran
– Tenor – Chor – Orchester
Noten verlegt bei: UNIVERSAL EDITION WIEN
https://universaledition.com/matthias-bonitz-8281/werke
Vorwort
Mein – weltliches –
Oratorium[2]
in 4 Teilen Wir sagen uns Dunkles beleuchtet musikalisch das Verhältnis
und den großen Konflikt von zwei der bedeutensten Protagonisten der deutschen
Nachkriegsdichtung:
Ingeborg
Bachmann und Paul Celan.
Aufschlussreich ist der
Titel des Oratoriums: Wir sagen uns Dunkles = der Geheimcode dieser
Beziehung von Beginn (1948) bis zum Tode für beide; Wir sagen uns Dunkles ist
eine Kernaussage aus dem Gedicht Corona von Paul Celan, 1948 in Wien
geschrieben und im Gedichtband Mohn und Gedächtnis von P. Celan
erschienen[3].
Das Oratorium ist in 4
Teile – oder auch Abteilungen – gegliedert. Grundlage meiner Komposition sind 6
Gedichte von Paul Celan und 7 Gedichte von Ingeborg Bachmann und Psalmen.
Im 1.Teil beziehe
ich mich in erster Linie auf die Herkunft Celans. Die Juden der Bukowina waren nach
dem Ende des Ersten Weltkrieges noch lange Zeit die Bewahrer der deutschen
Sprache und Kultur.
Der Dichter Paul Celan stammt von dort, „einer Gegend“, wie
er selbst formulierte, „in der Menschen und Bücher lebten“. Das
Schicksal der Juden in der Nazi Zeit und deren Auswirkungen auf die
Überlebenden wie Celan, der Zeit seines Lebens an einer „Überlebensschuld“
litt, ist Inhalt des 1.Teiles, hier instrumental eingeleitet durch Auszüge aus
meinem Klavierquartett Schachnovelle (nach Stefan Zweig).
Auf Hebräisch folgt der
Psalm 38 (2013 in Zusammenarbeit mit der jüdischen Kantorin Mimi Scheffer aus
Berlin). Tenebrae 75[4]
ist nach dem Gedicht Tenebrae von Paul Celan benannt, dass ich in der
Einleitung mit Versen aus den Psalmen 22, 25, 28 und 79 erweitert habe, eingefügt
auch auf Hebräisch das Schma`JIsrael
Adonai elohenu Adonai echat.[5]
Der 1. Teil schließt mit
den Gedichten Geh, Gedanke von Ingeborg Bachmann, Psalm (Bachmann)
und Psalm (Celan).
Der 2. Teil setzt
sich mit der intensiven Liebesbeziehung im Sommer 1948 in Wien auseinander, für
diese Zeit stehen die Gedichte In Ägypten (Celan), Es könnte viel
bedeuten (Bachmann), Corona (Celan) und Entfremdung
(Bachmann).
Im 3. Teil wird die
wiederaufflammende Liebesbeziehung 1957 (Tagung in Wuppertal und Hotel in Köln)
thematisiert durch die Gedichte Köln, Am Hof (Celan), Erklär mir,
Liebe (Bachmann) und Nachts, wenn das Pendel der Liebe schwingt (Celan).
Im 4. Teil: Finale
steht für „die Unmöglichkeit eines Zusammenlebens“, wie Bachmann diese
Beziehung bereits 1951 in einem Brief an Hans Weigel charakterisiert. Diese
Tragik versuche ich darzustellen durch meine Tondichtung Kagrans Flucht
nach dem Binnenmärchen aus Bachmanns Roman Malina, das sich auf Celan
(geheimnisvoller Fremder) bezieht und nach Celans tragischem Suizid 1970 von
Bachmann in den Roman aufgenommen wurde. Den Abschluss bilden die Gedichte Lieder
auf der Flucht XV (Bachmann) und Thema und Variation (Bachmann).
Musikalische Form: Das
vorliegende weltliche Oratorium ist bisher in kammermusikalischer Besetzung komponiert,
für Sopran oder Tenor (wechselnd oder auch als Duett), für Chor (SSAATTBB) im
Instrumentalbereich für Cello, Klavier oder Orgel 8unterschiedlich eingesetzt.)
Fassung für Sopran / Tenor / Chor / großes Orchester: Instrumentierung in
Arbeit nach der bereits fertiggestellten Kammermusikfassung.
[1]
Die Psalmen sind aus dem Alten Testament; Texte P. Celan aus: Gedichte I
(Bibliothek suhrkamp)
Texte I. Bachmann:
Sämtliche Gedichte, (Verlag Piper)
[2]
Formales Vorbild: „Gurre
Lieder von Arnold Schoenberg und „Lied von der Erde“ von Gustav Mahler
[3] Siehe Helmut Böttiger: „Wir sagen
uns Dunkles“ 4. Kapitel „ Es ist Zeit, dass man weiß! Ab Seite 50 (DVA Verlag)
[4] Die Zahl 75 bezieht sich auf 75
Jahre nach der Befreiung des KZ Ausschwitz durch die rote Armee am 27.Januar
1945, die Komposition Tenebrae 75 habe
ich 75 Jahre nach der Befreiung am 27.Januar 2020 beendet.
[5]
In Celans Leseexemplar von Kafkas Erzählungen findet sich innen am Umschlag
diese Eintragung von Celan (handschriftlich) auf Hebräisch
Orchesterbesetzung
für den I. Teil:
Niemand
knetet uns wieder
Holzbläser:
Piccolo / 2 Flöten / 2 Oboen / Engl. Horn / 2
Klarinetten / 2 Fagotte / Kontrafagott
Blechbläser:
2 Trompeten / 4 Hörner / 3 Posaunen / Tuba
Schlagwerk:
a.) Membranophone:
kl. Trommel / gr. Trommel / Tambourin / Rührtrommel / Pauken
b.)Metallidiophone:
Cymbales antiques / Becken / gr. Tamtam /
javanischer Buckelgong (as-b-h und D-A) / Glockenspiel / Röhrenglocke (B1) /
Donnerblech / Triangel
c.) Holzidiophone:
Tubo / Bambusrassel (groß)
Celesta / Harfe
Streicher:
12-10-8-6-5
Mehr unter:
https://landingpage.7places.org/
20.02.2020
Wehret den Anfängen!
Es nimmt kein Ende,
nach Kassel, Halle, Ministerpräsidentenwahlbetrug in Thüringen durch die AFD jetzt dieses Leid in Hanau, verursacht durch die Brandstifter der rechten Szene.
Ein 43 Jahre alter Deutscher hat in Hanau zehn Personen
erschossen und sich selbst getötet. Es gibt Hinweise auf rassistische Motive.
Sich
Erinnern
Sehr zu empfehlen:
Rede des Bundespräsidenten in der Gedenkstätte Yad Vashem
בָּרוּךְ אַתָּה יְיָ אֱלֹהֵינוּ מֶלֶךְ הַעוֹלָם שֶׁהֶחֱיָנוּ וְקִיְּמָנוּ וְהִגִּיעָנוּ לַזְּמַן הַזֶּה׃
http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Frank-Walter-Steinmeier/Reden/2020/01/200123-Israel-Yad-Vashem.html
Mahnende
Lyrik von Ingeborg Bachmann
Nie hätte ich gedacht,
dass mahnende Worte wie in den Gedichten von Ingeborg Bachmann wieder diese
Aktualität erhalten: gerade in unserer Zeit, einer Zeit der „sprachlichen Brandstifter“,
der Wegbegleiter, Vorbereiter zur Verrohung und Umwandlung unserer Gesellschaft
– siehe Angriffe auf jüdisches Leben in Deutschland – jüngst in Halle / Saale
und andernorts. Und trotzdem erstarkt der rechten Rand mit einem Faschisten als
Führer– zuletzt in Thüringen.
Keiner kann heute mehr behaupten
er hätte nichts gewusst oder das nicht so gemeint oder es war „nur eine
Protestwahl“. Keiner!
„Austesten“, wie weit man
seine antisemitischen Äußerungen öffentlich zuspitzen kann, ohne staatlicher
Repression ausgesetzt zu sein, wie am 9.11. bei einer DEMO der Holocaust –
Leugner in Bielefeld, sind untrügliche, unerträgliche Agitationen der
rechtspopulistischen Gesellschaft.
Es gibt genügend Mahner:
Ingeborg Bachmann, Paul Celan, Nelly Sachs oder auch die „Deutschstunde“ von
Sigfried Lenz und viele andere.
Nach Ansicht von Jacques
Schuster gibt es im
deutschsprachigen Raum überhaupt nur zwei Schriftsteller, „die es vermochten,
das jüdische Schicksal in Worte zu fassen: Paul Celan und Nelly Sachs“.[1]
Zustände müssen
beschrieben werden – wie in Ingeborg Bachmanns „Psalm“ oder auch „Geh, Gedanke“
Man kann es auch als
„Nachgeburt der Schrecken“ bezeichnen, wie Ingeborg Bachmann es in ihrem
Gedicht „Psalm“ benennt.
„Erstaunlicherweise kommt
der Hass von jungen Menschen, die nicht wissen, was hier vor 80 Jahren geschah.
Die 3. Generation ist ahnungslos, nicht nur in Deutschland, sondern überall.
Das müssen wir ändern.“ So äußert sich der Vorsitzende des jüdischen
Weltkongresses, Ronald Lauder bei seinem Besuch in Halle (Zitat: FAZ
Feuilleton, 26.10.2019)
Das sind sehr mahnende
Worte, sie gelten meiner Ansicht nach nicht nur für die jüngere Generation,
sondern auch für Ältere, die um diese Zusammenhänge wissen sollten, quer durch
die ganze Gesellschaft.
Ich möchte hiermit ausdrücklich den Aufruf des Deutschen
Musikrates vom 30.10.2019 – Musikpolitik: Musik
machen – Haltung zeigen: Mitglieder des Musikrates engagieren sich für eine
demokratische, weltoffene Gesellschaft und für Kulturelle Vielfalt unterstützen.
Wenn man die zeitliche Herkunft Bachmanns – auch von
Nelly Sachs, die Bachmann in Zürich anlässlich der Verleihung des Droste Preises
in Meersburg getroffen hatte, - unter dem Joch der NS Zeit betrachtet und in
diesem Licht ihre Empfindlichkeit/Empfindsamkeit einbezieht, bekommen
jedenfalls für mich ihre Lyrik und auch Bachmanns Roman Malina eine zusätzliche
so starke Bedeutung, dass man allen Anfängen des Rechtspopulismus, der sich
gerade auch in Deutschland und Europa breit macht, vehement zur Wehr setzen
muss.
Schicksale wie Nelly Sachs und auch Bachmann, Paul
Celan, jede auf ihre Art, sind dazu exponierte Mahner.
Bachmann geht in ihrer
Lyrik an die Grenze der Sprache und erweist diese Grenze als Ort von Visionen.
Sie warnt vor drohenden Gefahren; sie erinnert an vergangene Ereignisse, die
nicht in Vergessenheit geraten dürfen; sie sagt voraus, welche Konsequenzen
bestimmte Handlungen haben werden.
Das Gespinst der
„tragischen Spinnen der Gegenwart“ ist undurchsichtig, sie verkleben die
Augen und verschleiern die Wahrheit. Aber das Verstummen soll nicht das letzte
Wort haben. Deswegen bittet die Verstummte:
„In die Mulde meiner Stummheit
leg ein Wort
und zieh Wälder groß zu beiden Seiten,
dass mein Mund
ganz im
Schatten liegt.“
Mahnende Lyrik von
Ingeborg Bachmann musikalisch emotionalisiert
Ersteinspielung
„Psalm“ und „Geh, Gedanke“
Musik:
Matthias Bonitz, Gedichte von Ingeborg Bachmann
In meiner
Vertonung der Bachmann Gedichte versuche ich besonders, die musikalische
Sprache Bachmannns aufzunehmen und in meiner Emotionalität zu interpretieren,
in der Hoffnung, Ingeborg Bachmanns Lyrik als mahnende Worte nicht verstummen
zu lassen.