Ingeborg Bachmann: Geh, Gedanke & Psalm
Musik: Matthias Bonitz
Yi Lu: Bass Bariton – Julia Wasmund: Cello – Pillwoo
Chun: Klavier)
Sich
Erinnern
Mahnende
Lyrik von Ingeborg Bachmann
Nie hätte ich gedacht,
dass mahnende Worte wie in den Gedichten von Ingeborg Bachmann wieder diese
Aktualität erhalten: gerade in unserer Zeit, einer Zeit der „sprachlichen Brandstifter“,
der Wegbegleiter, Vorbereiter zur Verrohung und Umwandlung unserer Gesellschaft
– siehe Angriffe auf jüdisches Leben in Deutschland – jüngst in Halle / Saale
und andernorts. Und trotzdem erstarkt der rechten Rand mit einem Faschisten als
Führer– zuletzt in Thüringen.
Keiner kann heute mehr behaupten
er hätte nichts gewusst oder das nicht so gemeint oder es war „nur eine
Protestwahl“. Keiner!
„Austesten“, wie weit man
seine antisemitischen Äußerungen öffentlich zuspitzen kann, ohne staatlicher
Repression ausgesetzt zu sein, wie am 9.11. bei einer DEMO der Holocaust –
Leugner in Bielefeld, sind untrügliche, unerträgliche Agitationen der
rechtspopulistischen Gesellschaft.
Es gibt genügend Mahner:
Ingeborg Bachmann, Paul Celan, Nelly Sachs oder auch die „Deutschstunde“ von
Sigfried Lenz und viele andere.
Nach Ansicht von Jacques
Schuster gibt es im
deutschsprachigen Raum überhaupt nur zwei Schriftsteller, „die es vermochten,
das jüdische Schicksal in Worte zu fassen: Paul Celan und Nelly Sachs“.[1]
Zustände müssen
beschrieben werden – wie in Ingeborg Bachmanns „Psalm“ oder auch „Geh, Gedanke“
Man kann es auch als
„Nachgeburt der Schrecken“ bezeichnen, wie Ingeborg Bachmann es in ihrem
Gedicht „Psalm“ benennt.
„Erstaunlicherweise kommt
der Hass von jungen Menschen, die nicht wissen, was hier vor 80 Jahren geschah.
Die 3. Generation ist ahnungslos, nicht nur in Deutschland, sondern überall.
Das müssen wir ändern.“ So äußert sich der Vorsitzende des jüdischen
Weltkongresses, Ronald Lauder bei seinem Besuch in Halle (Zitat: FAZ
Feuilleton, 26.10.2019)
Das sind sehr mahnende
Worte, sie gelten meiner Ansicht nach nicht nur für die jüngere Generation,
sondern auch für Ältere, die um diese Zusammenhänge wissen sollten, quer durch
die ganze Gesellschaft.
Ich möchte hiermit ausdrücklich den Aufruf des Deutschen
Musikrates vom 30.10.2019 – Musikpolitik: Musik
machen – Haltung zeigen: Mitglieder des Musikrates engagieren sich für eine
demokratische, weltoffene Gesellschaft und für Kulturelle Vielfalt unterstützen.
Wenn man die zeitliche Herkunft Bachmanns – auch von
Nelly Sachs, die Bachmann in Zürich anlässlich der Verleihung des Droste Preises
in Meersburg getroffen hatte, - unter dem Joch der NS Zeit betrachtet und in
diesem Licht ihre Empfindlichkeit/Empfindsamkeit einbezieht, bekommen
jedenfalls für mich ihre Lyrik und auch Bachmanns Roman Malina eine zusätzliche
so starke Bedeutung, dass man allen Anfängen des Rechtspopulismus, der sich
gerade auch in Deutschland und Europa breit macht, vehement zur Wehr setzen
muss.
Schicksale wie Nelly Sachs und auch Bachmann, Paul
Celan, jede auf ihre Art, sind dazu exponierte Mahner.
Bachmann geht in ihrer
Lyrik an die Grenze der Sprache und erweist diese Grenze als Ort von Visionen.
Sie warnt vor drohenden Gefahren; sie erinnert an vergangene Ereignisse, die
nicht in Vergessenheit geraten dürfen; sie sagt voraus, welche Konsequenzen
bestimmte Handlungen haben werden.
Das Gespinst der
„tragischen Spinnen der Gegenwart“ ist undurchsichtig, sie verkleben die
Augen und verschleiern die Wahrheit. Aber das Verstummen soll nicht das letzte
Wort haben. Deswegen bittet die Verstummte:
„In die Mulde meiner Stummheit
leg ein Wort
und zieh Wälder groß zu beiden Seiten,
dass mein Mund
ganz im
Schatten liegt.“
Mahnende Lyrik von
Ingeborg Bachmann musikalisch emotionalisiert
Ersteinspielung
„Psalm“ und „Geh, Gedanke“
Musik:
Matthias Bonitz, Gedichte von Ingeborg Bachmann
In meiner
Vertonung der Bachmann Gedichte versuche ich besonders, die musikalische
Sprache Bachmannns aufzunehmen und in meiner Emotionalität zu interpretieren,
in der Hoffnung, Ingeborg Bachmanns Lyrik als mahnende Worte nicht verstummen
zu lassen.