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Riviera 2007 Enstehungsjahr Le Taureau für Violine und Klavier Bild anklicken für Novelle "Zwiesprache mit Picasso"
AUDIO: WDR 3 Sendung TONART 13.9.2010 Stephan Keim
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Text Programmheft zur Uraufführung 12.9.2010 Recklinghausen
Le Taureau-Tondichtung frei nach Pablo Picasso für großes Orchester (2010)
Herrn Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt gewidmet
1. Satz: Zustand 1-3; 2. Satz: Zustand 4-8; 3. Satz: Finale: Zustand 9-11
Besetzung
Piccoloflöte, 2 Querflöten, 2 Oboen, Engl. Horn, 2 Klarinetten, Es Klar., Bassklarinette, 2 Fagotte, Kontrafagott, 2 Trompeten, 4 Hörner, 2 Tenorposaunen, 1 Bassposaune, Kontrabasstuba, Schlagzeug, Pauke, Celesta, Harfe, Streicher
Als mich im Juni 2007 der Konzertmeister der Neuen Philharmonie Westfalen, Herr Andras Agoston fragte, ob ich mir vorstellen könne, für ihn ein Konzertstück zu schreiben, war ich natürlich begeistert, für so einen angenehmen Kollegen und hervorragenden Solisten etwas komponieren zu dürfen. Wir einigten uns auf ein Konzertstück für Violine und Klavier und das Picasso Thema „Le Taureau“. „Le Taureau“ deshalb, weil seit dem Jahr 2000 in Münster das einzige Picassomuseum in Deutschland existiert und dort zum anderen die Stierserie „Le Taureau“ in 11 Zuständen, d.h. Bildern gezeigt wird. Picasso hat diese lithographische Serie im Format 29 x 37,5 cm in Paris in der Werkstatt Mourlot in der Zeit vom 5.12.1945 bis zum 17.1.1946 hergestellt. Diese Serie ist nichts anderes als eine durchkomponierte Metamorphose zwischen zwei sehr unterschiedlichen Antipoden: im 1. Zustand ein naturalistisch anmutendes Gebilde und zum letzten, 11. Zustand, ein an Höhlenmalerei anmutendes Gemälde. Meine Tondichtung ist eine sehr persönliche, musikalische Auseinandersetzung mit Picasso über diese Arbeit „Le Taureau“.
Natürlich ist es ein großes Wagnis, sich ausgerechnet mit dem Jahrhundertgenie Picasso auf künstlerischem Wege auseinandersetzen zu wollen. Es ist in der Tat ein sehr langer Weg, über Jahre, bis aus einem aufkeimenden Wunsch eine konkrete Handlung entsteht. Aber in dieser Beziehung habe ich einen bedeutenden Satz von Hermann Hesse schon während meiner Arbeit an meinem Cellokonzert Siddhartha, Tondichtung frei nach Herman Hesse verinnerlicht: <Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden>. Ähnlich hatte sich auch Albert Camus (gehörte zum Freundeskreis Picassos) 1942 geäußert: <Die Kunst ist eine Forderung nach dem Unmöglichen>.“Diese Denkweise ist der Schlüssel zu Picassos Spätwerk (Wiegand: Picasso rororo 680)
1.Satz:
Ich habe den 1.Satz als Prolog mit dem katalanischen Volkslied „Lo Mestre“ begonnen und in der Orchesterfassung den ersten Teil der Melodie ins Solohorn gelegt. Das war mir wichtig, da ich wusste, dass Picasso ein Signalhorn besaß und sehr stolz darauf war, dreißig Töne auf seinem Horn blasen zu können (Francois Gilot: Leben mit Picasso). Den 2. Teil dieser Melodie gab ich der 1. Trompete als Hinweis auf die Eröffnungsfangare der Corrida, dem Stierkampf, den Picasso so sehr liebte. Dieses Ausgangsmaterial zieht sich als durchkomponierte Metamorphose durch die gesamte Komposition. Dabei habe ich das im Original langsame Tempo des Volksliedes im 1. Zustand sehr stark als Allegro furioso angezogen, um die Dynamik eines „Jungstieres“ zu transferieren. Der zweite und dritte Zustand steht bei Picasso für sehr schwere, schwarze „Urstiere“, denen ich schwere forte Akkorde, hauptsächlich in tiefen Instrumenten entgegenstelle. Zu Beginn des dritten Zustand charakterisiere ich die in der Nackenpartie erkenntlichen „Reste“, das „Gedächtnis des Lithographie-Steines“ durch die Technik der Aleatorik.
2. Satz
Picasso wechselt hier im 4. Zustand in die Technik des Kubismus (1907): er „filetiert“ den Stier. Dem entspreche ich mit der Technik der Zwölftonmusik (Schönberg 1920). Der 4. Stier ist im Übrigen der einzige Zustand, bei dem der Stier den Betrachter mit bedrohlich aufgerichteten Hörnern ansieht; man weiß nie, ob er Dich erkennt und angreift. In der Partitur ist dieser Schreckmoment durch einen heftigen Ausbruch „ accelerando e adirato (zornig)“ für nur einen Takt gekennzeichnet. Ebenso führe ich, vorbereitend im 3. Zustand als Hinweis auf den Kubismus, das in der Symphonik ungewöhnliche Instrument „Darabuka“ aus Nordafrika ein. Auffallend ist, das Picasso von seinen Bildern von mal zu mal immer etwas „hinweg nimmt“, statt, wie man es erwarten würde, etwas hinzuzufügen. Die schwarzen Teile der „Filetstücke“ dünnen somit immer mehr aus und die Komposition entspricht dem durch Kammermusikteile und einer dynamischen Abnahmen. Zum Ende des Satzes verlassen uns die Blechbläser. Tiefes Schlagzeug und tiefe Streicher retten sich nur noch vereinzelt in den
3. Satz und Finalsatz:
Hier gibt es kein „Innenleben“ der Stiere mehr. Der 11. Zustand ist nur noch eine Ein-Strich-Höhlenmalerei. In der Musik dominieren hohe Instrumente in höchsten Lagen. Erst hier kommen Celesta, Glockenspiel, Vibraphon hinzu. Die Dynamik verabschiedet das Stück im dynamischen Nichts.
Die Partitur der Orchesterfassung habe ich mit dessen Zustimmung Herrn Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt gewidmet.
©Matthias Bonitz 2010
2012/05 - Der Komponist Matthias Bonitz stellt am Rhein-Maas-Berufskolleg Kempen seine Picasso-Bildvertonug „Le Taureau“ vor
Eine ganz besondere Musikstunde fand am 07. Mai in der SBG U2 statt: Der Komponist und Recklinghäuser Kontrabassist Matthias Bonitz, Vater des Musiklehrers Roman Bonitz, stellte seine Picasso-Tondichtung aus dem Jahre 2010 vor – ein Werk, das bisher fünf mal in verschiedenen Konzerthäusern des Ruhrgebiets aufgeführt wurde.
In diesem Stück geht es um die musikalische Darstellung der elf Metamorphosen eines Stiers („Le Taureau“), bei der Picasso in jedem Zustand immer mehr Material wegnimmt, so dass beim letzten Bild im Gegensatz zu den wuchtigen Stierdarstellungen am Anfang von diesem nur noch eine abstrakte Strichzeichnung zu sehen ist. Auch Picassos Weg zur Künstlerepoche Kubismus wird hier sehr deutlich. Passend zum Thema sollten die SchülerInnen sich zunächst selbst Gedanken machen, wie sie die elf Bilder musikalisch darstellen würden. So sollten sie in Partnerarbeit beispielsweise auf Fragen der Dynamik, der Instrumentation oder des Tempos eingehen, was ihnen auch treffend gelang. Nach der Auswertung der Schülerergebnisse begann der Vortrag des Komponisten. Nachdem Prolog durch das spanisches Volkslied „Lo Mestre“ erklang am Anfang noch analog zu dem wuchtigen Stier das große Orchester, wobei vor allem Blechbläser und ein dreifaches Forte im Vordergrund standen. Man hörte den Stier förmlich schnaufen. Als Kontrast zum Beginn endete die Komposition: Nun standen die Instrumente Harfe, Glockenspiel und Geige im Vordergrund, gespielt im Piano und langsamen Grundtempo. Ferner löste er sich von der Dur-Moll Tonalität und benutzte stattdessen in Anlehnung an Arnold Schönberg die abstrakte Zwölftontechnik.
Bonitz erläuterte geduldig mit der Hilfe einer Powerpoint-Präsentation, die Partiturausschnitte, die Picasso-Bilder, das Orchester der Neuen Philharmonie Westfalen und Picasso selbst mit seinem Lieblingsinstrument (einer Trompete) zeigten. Dabei zeigte er sich zudem als großer Picasso-Kenner, der sich intensiv mit dem Künstler auseinandergesetzt hat. Die SchülerInnen waren sehr aufmerksam und wollten am Ende noch wissen, wie lange er für die Komposition an diesem aufwendigen Werk gearbeitet habe, worauf sie die Antwort „ein Jahr“ bekamen. Mit Applaus und zufriedenen Gesichtern bei allen Beteiligten endete diese ungewöhnliche Musikstunde.
Hier finden Sie die elf vertonten Stier-Bilder: http://mourlot.free.fr/Images/picasso.gif |
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